Sommer 2018
Warum eine Website für meinen verstorbenen Sohn?
Endlich ist es soweit – die Website für meinen Sohn Christian ist fertig. Nun ist es über ein Jahr her, dass Christian auf tragische Weise sein Leben lassen musste. Die ersten Wochen und Monate nach seinem Tod waren so traumatisierend, dass ich heute nicht mehr weiß, wie ich das überstehen konnte. Eine gute Bekannte von mir, die ebenfalls ihren Sohn verloren hat, gab mir den Hinweis, doch einmal auf die Kinder- und Jugendgedenkseiten zu gehen. Ich habe mich in Schicksale eingelesen und vertieft und es war für mich ein ungeheurer Trost. Nicht etwa deshalb, weil auch andere mit dem Verlust eines Kindes fertig werden müssen – im Sinne geteiltes Leid ist halbes Leid, sondern weil ich erfahren konnte, dass die Betroffenen mit den gleichen Gefühlen kämpfen, dieselben Erfahrungen mit dem Unvermögen vieler Mitmenschen haben, einen trauernden Menschen auszuhalten. Ich war so berührt vom Zeugnis der Liebe für die Verstorbenen, dass sich in mir der Gedanke entwickelt hat: Auch ich möchte meinem Sohn ein Gedenken in dieser Form schaffen. Es sollen Menschen sein Leben kennenlernen, das nur so kurz dauern durfte. So kann er Beachtung erhalten, die ihm zeit seines Lebens aufgrund seiner schweren Erkrankung größtenteils verwehrt geblieben ist. Christian war so dankbar für jede Geste der Aufmerksamkeit, die ihm zuteilwurde. Wie stolz war er, wenn er einmal im Mittelpunkt eines Ereignisses gestanden ist – wie sehr hätte er sich über seine persönliche Website gefreut.
Vielleicht wird es Menschen geben, die gleichermaßen wie ich die Texte interessiert lesen, für eine Weile in eine andere Welt eintauchen und mit einem guten Gedanken an ihn die Seite verlassen. Vielleicht werden es trauernde Menschen sein, die in diesem Augenblick die Hoffnungslosigkeit übermannt und die den gleichen oder ähnlichen Trost empfinden. Ich möchte mit dieser Website meine tiefe Liebe zu meinem Sohn zum Ausdruck bringen und die große Ehre, die ihm gebührt.
Vom Gedanken bis zur Umsetzung ist doch einige Zeit vergangen. Etwas wollen und etwas tun, ist nicht dasselbe. Wie eine Website erstellen, wie sie pflegen? Ich war mir sicher, es wird sich finden. Und wie es der Zufall will – oder ist es Bestimmung? – lerne ich über meinen geschätzten Kollegen Daniel an der Schule, an der ich unterrichte, Samir Qadiri kennen. Samir ist ein überaus talentierter Schüler und ich habe ihm mein Anliegen geschildert. Mit seiner Hilfe ist es gelungen, die Seiten so zu gestalten, wie ich sie mir in all der Zeit, die vergangen ist, ausgemalt habe.
Ich danke euch beiden, Samir und Daniel, von ganzem Herzen.
Nie wieder wird mich die Schönheit dieser Welt so unmittelbar berühren wie zuvor.