10. 08. 2018
Mein geliebter Christian,
Die Tage vergehen, die Wochen vergehen und die Zeit scheint so endlos zu sein. Denke so viel an dich. Meine einzige Freude am Tag ist, wenn ich weiß, dass ich dich wieder besuchen gehen kann. Komme immer so gerne zu deinem Garten, den ich so gerne schmücke und mit vielen Kerzen versehe.
Wo immer du auch bist, schaue auf uns. Du fehlst mir unsagbar. Deine Mama
17. 08. 2018
Mein geliebter Christian,
es ist ein schöner Spätsommertag und ich sitze – wie sollte es anders sein – vor dem Computer und verfasse nun wirklich die letzten Kapitel, also ein Ende ist nun absehbar. Aber ganz egal, was ich tue, ob ich zuhause bin und mich in Bücher vergrabe oder in der Stadt bin und durch die Straßen gehe. Es gibt nur einen Gedanken, und der ist an dich. An manchen Tagen ist der Sehnsuchtsschmerz einigermaßen auszuhalten, an manchen Tagen bin ich abgelenkt, aber an den meisten Tagen ist es sehr schlimm. So wie heute. Ich überlege mir, wie es dir wohl gehen würde. Das wäre jetzt ganz dein Wetter gewesen: warm, sonnig und hell. Heute ist Freitag, du wärst bei deinem Vater gewesen. Vielleicht wäret ihr mit deinem Quad eine Runde gefahren, vielleicht spazieren gegangen oder Rad fahren. Ich habe deine Stimme im Ohr, deine ganze Gestalt vor meinem inneren Auge.
Die Frage, die sich jedem Menschen stellt, der einen Liebsten gehen lassen musste: Seid ihr noch unter uns und viele berichten, dass sie nach Zeichen suchen. Ich suche nicht danach, aber mir scheint, du gibst mir immer wieder, von dort, wo du jetzt sein magst, ein Zeichen: Ich bin bei dir.
Gestern war ich, nachdem ich dir an deinem Garten Gute Nacht gesagt hatte, ganz spontan zum Chinesen essen. Ich wollte nicht alleine zuhause sein und schon gar nicht für mich kochen. Ich war in dem Restaurant und wie sollte es anders sein, habe ich dich in Gedanken zurückgeholt. Auf einmal fällt mein Blick auf ein Glas, in dem ein Teelicht brannte. Ganz unüblich war ein Motiv eines Engels mit ausgebreiteten Flügeln und einem Buch in der Hand. Ich habe das Glas lange angesehen und es auf den ersten Blick gar nicht erkannt. Doch mein Blick konnte sich nicht abwenden und da entdeckte ich es. Mir war, als wolltest du mir sagen: „Schau Mama, du kannst mich nicht sehen, aber ich bin bei dir.“
Ich liebe dich, deine Mama
Egal wo ich bin, egal wo ich war,
ich sah dein Gesicht, es war immer da.
Nun bist du gegangen, auf ewig fort,
an einen schöneren, seeligen Ort?
Hörst du mich da, wenn meine Seele nach dir weint,
wenn sie schmerzt und aus ganzer Kraft schreit?
Siehst du mein Herz, wie es beginnt zu zerbrechen,
wie es dich und dein heiteres Lachen vermisst?
Doch ich muss hier verbleiben,
und hoffe du wartest auf mich,
denn wir werden uns bald sehen,
dies ist ein Versprechen an dich.
06. 09. 2018
Mein geliebter Sohn,
es ist Herbst und er war immer deine Jahreszeit. Ich habe ihn immer den „Goldenen Herbst“ genannt, weil du in dieser Jahreszeit so wenige Anfälle hattest. Nun schaue ich so oft aus dem Fenster und spüre die Wärme des Herbstes, das angenehme Licht und sehe die schönen bunten Farben.
Die Schule hat wieder begonnen und wie so oft übermannt mich diese tiefe Traurigkeit. Mein Herz ist so schwer, dass ich glaube, ein Felsbrocken drückt mich nach unten.
Und immer wieder stelle ich mir die Frage: „Wie kann man mit dem Gefühl der Schuld jemals wieder einen frohen und ruhigen Moment erleben?“ Hätte ich doch nur besser auf dich aufgepasst. Noch einmal einen Tag mit dir erleben, dich in die Arme nehmen, dir über dein Gesicht streicheln, dir sagen, wie wertvoll und lieb du mir bist – was würde ich dafür geben – mein Leben.
Wo immer du auch bist, schau auf uns. Alles ist auseinandergebrochen, seit du nicht mehr bist. Du warst wie ein Magnet, der die Familie zusammengehalten hat, auch wenn jeder sein eigenes Leben gelebt hat. Du warst so voller Stärke bis dich die Kraft verlassen hat.
Wie oft richte ich den Blick auf den Himmel, auf den Ort, an dem ich dich wähne und flehe: „Bitte verzeih mir, wofür es keine Entschuldigung gibt.“
Deine Mama, der es so schwer fällt, mit dieser Schuld zu leben.